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Leseprobe:

Kapitel 1

 

 

Laura Bail fuhr sich durch ihre brünette Lockenmähne. Vorwitzig flippte eine der Strähnen immer wieder zurück in ihre Stirn. Sie schnaufte frustriert und griff nach dem Haarspray.

„Nicht noch mehr von dem Zeug! Das verklebt die Haare.“ Und noch bevor Laura etwas erwidern konnte, nahm Kristin ihr die Dose aus der Hand.

„Hey ...“ Verdattert blickte sie ihre ältere Schwester an, doch die stellte das Spray seelenruhig zurück auf die kleine Kommode neben dem Waschbecken. „Atme tief durch und denk dran, was wir besprochen haben. Und trink deinen Kaffee.“ Kristin deutete auf die dampfende Tasse, die unangetastet auf dem Waschbeckenrand stand. Seufzend griff Laura danach und verbrannte sich beinahe die Zunge, als sie einen tiefen Schluck nahm.

„Vorsichtig“, mahnte Kristin und musterte dann stirnrunzelnd die Frisur ihrer Schwester. Mit spitzen Fingern begann sie an den Strähnen zu zupfen. „Das ist wirklich … nicht leicht.“

„Kristin, lass das“, sagte Laura, wich zurück und stellte die Tasse beiseite. „Glaub mir, ich hätte auch lieber Moms Haare geerbt als die von Dad.“

Wie um sie daran zu erinnern, wer von den beiden Geschwistern die Glückliche war, richtete Kristin eine verrutschte Strähne ihrer strengen Hochsteckfrisur. Ihr Haar hatte eine ähnliche Farbe wie das von Laura, war ansonsten glatt und glänzte im Sonnenlicht leicht rötlich. „Letztendlich kommt es nicht auf deine Frisur an, sondern auf die Qualifikation. Mach dir also keine Gedanken.“

Laura atmete lautstark aus und widmete sich wieder ihrem Spiegelbild. Ihre kindlichen Gesichtszüge wirkten durch das leichte Tagesmakeup zumindest etwas reifer. „Du hast leicht reden. Immerhin hast du hier studiert.“

„Dein Managementstudium in Deutschland ist doch eine super Voraussetzung. Die meisten amerikanischen Firmen wären begeistert so jemanden wie dich einzustellen.“

„Ja, wenn da nicht dieses katastrophale Arbeitszeugnis wäre“, murmelte Laura.

Kristin spitzte die Lippen. „Du darfst dir von diesem Kerl nicht die Zukunft kaputt machen lassen. Wir sind uns doch einig, warum er das tut oder? Er will sich für deine plötzliche Kündigung rächen.“

„Kann sein“, erwiderte Laura. Beim Gedanken an Markus stieg ein saurer Geschmack ihre Kehle hinauf und ihr Magen krampfte.

„Das Zeugnis ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass es überfällig war, die Firma zu verlassen.“

Nein, dachte Laura, die Kündigung war noch wegen ganz anderer Dinge notwendig. Sie lächelte Kristin zerknittert an.

„Aber das ist eigentlich auch vollkommen egal.“ Kristin wühlte in dem kleinen Schminketui und beförderte zwei Lippenstifte zutage. Der eine hatte ein tiefes Rot, der andere war samtrosé. Einen Moment schien sie abzuwägen, wählte dann jedoch den Helleren. „Ich mein, du hast deinen Job bekommen, kaum, dass du mit dem Studium fertig warst, die Bank ist groß und hat auch international einen Namen. Niemand – und erst recht nicht Daniel – wird sich für ein Zeugnis interessieren.“

„Das scheinen die Firmen, bei denen ich mich bisher beworben habe, anders zu sehen. Sieben Absagen in sechs Wochen.“ Laura zuckte mit den Schultern. „Ich habe quasi keine Berufserfahrung. Markus hat mich Kaffee kochen und seine Sachen in die Reinigung bringen lassen. Bei den Vorstellungsgesprächen habe ich mich komplett blamiert. Eine Personalchefin, die bloß gut Termine vereinbaren kann, stellt niemand ein.“ Laura verstummte. Es war ihr immer noch unangenehm darüber zu sprechen. Fast nebensächlich griff sie nach dem roten Lippenstift und wollte gerade die Kappe lösen, als Kristin ihn ihr aus der Hand nahm. „Der lässt dich billig wirken.“

„Kristin!“

Doch ihre Schwester ignorierte Lauras Ausruf und warf ihn zurück in die kleine Kulturtasche. „Weil du dich unter Wert verkauft hast. Der Kerl konnte es nicht ertragen, dass du – eine Frau – eine hohe Position in der Personalabteilung bekleiden solltest. Da hat er dich zu seiner Sekretärin degradiert.“

Laura nickte. Auch wenn Kristin keinerlei Probleme hatte, die Dinge beim Namen zu nennen, wurde ihr noch immer übel dabei. Eigentlich hatte sie sich nie für eine von solchen Frauen gehalten.

„Ich jedenfalls bin froh, dass du wieder da bist. Und Mom auch.“ Kristin lächelte und streichelte ihrer kleinen Schwester über die Wange.

Trotz der bemutternden Geste konnte sie nichts anderes tun, als das Lächeln zu erwidern. Ihre Mutter lebte in Waterville, Maine, in dem Haus, in dem sie vor vielen Jahren alle gemeinsam gewohnt hatten. Mom, Dad, Kristin, Laura und ein Hund namens Porky. Ein lebendig gewordenes Klischee, zumindest bis zur Scheidung. „Ich hoffe nur, Dad geht’s auch gut und er ist nicht sauer über meine plötzliche Abreise.“

Kristin verzog das Gesicht. „Schwachsinn. Warum sollte es ihm nicht gut gehen? Er lebt doch weiterhin in Deutschland, in seinem Haus, mit seiner Neuen und spielt große, glückliche Familie oder nicht?“

„Kristin, bitte ...“ Laura legte den Kopf schief. „Nach all den Jahren, kannst du es auch mal gut sein lassen oder?“

„Nein.“ Und damit verließ sie das Badezimmer. Laura seufzte. Sie kannte niemanden, der so nachtragend war wie ihre ältere Schwester.

Als sie ihr ins Wohnzimmer folgte, hatte sich Kristin über Lauras Bewerbungsunterlagen gebeugt, blätterte und las mit gerunzelter Stirn.

„Wir sind das alles schon unzählige Male durchgegangen“, murmelte Laura gereizt, trat neben Kristin und entriss ihr die schwarze Mappe. Vielleicht ein wenig grob, denn Kristin verzog das Gesicht.

„Man kann nicht oft genug ...“

„Genau genommen jeden Tag seitdem ich bei dir eingezogen bin“, fügte Laura hinzu und grinste schräg. Ihre Schwester war mit ihren 33 nur vier Jahre älter und dennoch tat sie immer wieder so als wäre der Unterschied größer.

Kristin presste die Lippen aufeinander. „Ich will doch nur, dass alles glatt geht.“

„Ich weiß. Und ich danke dir auch dafür. Für alles. Dass du mich hier aufgenommen hast, dass du mir das Bewerbungsgespräch bei deinem Chef besorgt hast. Wirklich. Danke.“ Sie wollte noch hinzufügen, dass Kristin es dabei belassen sollte, doch sie verkniff es sich. Laura brauchte diesen Job. Unbedingt. Sonst würde sie vermutlich auf ewig bei ihrer bemutternden Schwester wohnen bleiben. „Ich hoffe nur, dass ich überhaupt für die Stelle geeignet bin. Einen Club zu managen ...“ Laura schüttelte den Kopf.

Kristins Hand legte sich warm und schwer auf ihre Schulter. „Du wirst das schon machen. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du dich immer noch nach etwas anderem umsehen, aber du hast immerhin einen Job. Und Daniel bezahlt nicht schlecht.“

Laura nickte, versuchte ihre Zweifel beiseite zu schieben. Ihr Blick glitt über den Tisch und blieb an dem Heftgerät hängen, mit dem Kristin gestern noch einige ihrer Unterlagen zusammengefasst hatte. Ihr Hals wurde trocken und sie presste die Lippen aufeinander.

Das Miststück hat mir die Nase gebrochen! Der schrille Ausruf hallte durch ihre Erinnerungen, unerbittlich und so laut, dass sie sich sofort wieder zu schämen begann.

„Laura, jetzt schau nicht so. Alles wird gut gehen.“ Kristin lächelte aufmunternd und griff nach ihren Händen. Dabei glitt ihr Blick wieder über das Kostüm, das Laura trug. „Es steht dir wirklich ausnehmend gut.“

Laura schnitt eine Grimasse. „Findest du wirklich?“ Der Zweiteiler mit der hochgeschlossenen Bluse war eigentlich gar nicht ihr Stil, aber bei ihrer fluchtartigen Abreise aus Deutschland, hatte sie nur das Nötigste an Kleidung mitgenommen. Hier blieb ihr dank des eingeschränkten Budgets nichts anderes übrig als sich am Schrank ihrer großen Schwester zu bedienen.

„Ja, es sieht anständig aus.“ Kristin wirkte zufrieden.

„Gut, denn ich fühle mich, als hätte ich mich verkleidet.“ Sie zupfte an dem Rock, der bei ihrer geringen Körpergröße fast bis über die Knie reichte.

„Blödsinn, du bist bloß nervös.“ Kristin musterte sie ein letztes Mal eingehend und nickte. „Lass uns losfahren, sonst kommen wir noch zu spät.“

Kapitel 2

Die junge Frau beugte sich leicht nach vorne und präsentierte so ihr recht üppiges Dekolleté. „Ich kellnere seit ich von der Schule abgegangen bin.“„Berufserfahrung ist immer gut.“ Daniel Frost schenkte ihr ein Lächeln und erntete dafür ein Kichern, das die enorme Oberweite zum Beben brachte. Solche Vorstellungsgespräche gefielen ihm. Er lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück und beobachtete das Schauspiel, das sich in ihrem Ausschnitt darbot.

„Über die Arbeitszeiten bist du dir im Klaren? Flexibel. Dreißig Urlaubstage. Die Bezahlung hatten wir ja am Anfang schon besprochen. Trinkgelder werden unter der jeweiligen Schicht aufgeteilt.“ Kurz und knapp. Die Blondine nickte hastig, als hätte sie Angst, dass Daniel sein Angebot noch zurückziehen könnte. „Besonders wichtig ist mir der Umgang mit den Gästen. Sie sollen sich wohlfühlen, wiederkommen und Geld hierlassen.“ Er lachte und sie stimmte mit ein, was dafür sorgte, dass sein Blick abermals von ihrem Gesicht eine Etage tiefer wanderte. Herrlich.

„In meiner Gegenwart fühlen sich die Leute immer wohl“, sagte sie und warf ihm einen langen Blick zu.

Daniel grinste. „Das kann ich mir vorstellen.“

„Bekommt man hier denn eine persönliche Einweisung vom Chef?“, fragte sie und fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. Eindeutig Eine von der offensiveren Sorte.

Daniel lachte auf. „Ich denke, ich werde ein wenig Zeit für dich aufbringen können.“

„Das wär toll.“ Wie, als wüsste sie, wohin sein Blick die ganze Zeit ohnehin schon gewandert war, verlagerte sie ihre Sitzposition so, dass die beiden Prachtstücke ein weiteres Mal hallo sagten. Noch ein bisschen mehr und das winzige Top würde auch seinen letzten Sinn verlieren. Trug sie überhaupt Unterwäsche? „Wann kannst du anfangen?“

„Sofort“, entgegnete sie und schaffte es, dass selbst dieses Wort einen versauten Unterton hatte.

Als das Telefon klingelte, fuhr er zusammen und löste seinen Blick von der Blondine. Hastig wühlte er in den Unterlagen auf dem Schreibtisch nach dem Telefon und nahm ab. „Ja?“

„Daniel, dein nächster Termin ist in 5 Minuten.“

„Danke, Julie.“ Daniel legte auf und erhob sich. Ohne seine Assistentin an der Anmeldung, würde er seinen Terminplan vermutlich jeden Tag durcheinander bringen. So leid es ihm auch tat, dieses Gespräch beenden zu müssen. „Entschuldige … Jill. Ich hab leider noch etwas zu tun. Du kannst übermorgen Abend anfangen. Julie macht die Verträge fertig, du kannst sie dir vorne abholen.“

Sie stand ebenfalls auf, schob dabei die Unterlippe vor. „Schade ...“

Statt einer Antwort, setzte Daniel abermals ein Grinsen auf, trat an die Tür und hielt sie ihr auf.

„Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit“, sagte sie, während sie sich mit mehr Körperkontakt als nötig, an ihm vorbei schob. Bevor sie ging, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Mit geschickten Fingern, beförderte sie den Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche und griff nach seinem Unterarm. Sie war Daniel nun so nahe, dass ihm ihr süßes Parfum in die Nase stieg und die ausladenden Brüste in verführerische Nähe rückten. Verdammt. Der Stift kitzelte, während sie auf seinem Arm etwas notierte. Als sie aufsah, hatte sie ein anzügliches Grinsen im Gesicht. „Wenn du mich schon früher brauchen solltest ... Für meinen neuen Chef habe ich immer Zeit.“

Daniel schmunzelte, musterte kurz die Telefonnummer und nickte. „Danke, vielleicht komme ich darauf zurück.“

Jill zwinkerte ihm zu, verstaute den Stift wieder in seinem Hemd – eine Spur zu langsam als sicherlich notwendig gewesen wäre – und ermöglichte ihm damit einen weiteren Blick auf ihre Vorzüge. Als sie ihm den Rücken zuwandte, zwinkerte sie ihm über die Schulter hinweg zu, nur um dann mit ausladenden Hüftbewegungen den Gang entlangzuschreiten. Daniel sog scharf Luft ein. Wenn nur nicht diese grausam schrille Stimme wäre. Doch die würde sie ja unter Umständen nicht gebrauchen müssen. Hauptsache sie gehörte nicht zu den Frauen, die erwarteten, dass er, nachdem sie hier zu arbeiten begonnen hatte, weiterhin für sie zur Verfügung stand. Affairen am Arbeitsplatz endeten nie gut und brachten meist nur Stress mit sich. Dennoch, vielleicht sollte er später direkt … Ein Räuspern durchbrach seinen Gedankengang. Daniel fuhr herum. Ein düster dreinschauendes Augenpaar brachte ihn aus dem Konzept. „Kristin!“, stieß er hervor und lachte nervös. Manchmal erinnerte ihn das Äußere seiner Restaurantleitung an seine alte Mathelehrerin; strenger Dutt, hochgeschlossenes Outfit, strafende Miene. Und jetzt gerade schaute sie so, als hätte er seine Hausaufgaben nicht erledigt.

„War die für den Clubbereich?“, fragte sie zweifelnd.

Daniel grinste. „Natürlich.“

„Gut, ich fürchte, ich habe im Restaurant keine Bluse, in die ihre … Weiblichkeit hineinpasst.“

„Ja ...“ Daniel verkniff sich ein Lachen. Kristin war seit Jahren nicht nur eine zuverlässige Mitarbeiterin, sondern zudem eine gute Freundin geworden. Sie liebte das HB genauso wie er, opferte hier mindestens genauso viel Freizeit wie er selbst.

Skeptisch wanderte sein Blick zu der jungen Frau, die neben Kristin stand. Sie sah ein wenig so aus, als hätte sie den Kleiderschrank ihrer Mutter geplündert. Außerdem war sie klein und wirkte fast kindlich, wie sie sich gedankenverloren eine ihrer Locken um den Finger wickelte.

„Daniel, das ist ...“

„Die neue Praktikantin? Kristin, du weißt, dass die hier alle über achtzehn sein müssen. Auch, wenn du sie nur im Restaurantbereich unterbringen möchtest.“

Das Mädchen errötete und wich seinem Blick aus.

Kristins Miene verfinsterte sich. „Nein. Das ist Laura. Ich hab dir von ihr erzählt. Meine Schwester.“

„Das …?“ Er deutete auf das Mädchen und schaute wohl ein wenig verdattert drein. Die beiden Schwestern hatten miteinander ungefähr so viel gemein wie eine Scheibe Toast mit einem Apfel. Irritiert beobachtete er wie Kristin ihre kleine Schwester anstieß. Mit einem nervösen Lächeln trat sie vor ihn.

„Hallo Mister Frost, mein Name ist Laura Bail.“

Noch immer etwas perplex nahm er die entgegengestreckte Hand und schüttelte sie kurz. „Hallo Laura.“

„Miss Bail“, verbesserte sie ihn schnell.

Er musterte sie erstaunt.

„Hey Dan!“

Miss Bail zuckte wie ein erschrockenes Reh zusammen. Herrje. Eilig wandte er den Blick von ihr ab und hob grüßend die Hand. Elay, sein Assistent, kam den Flur heruntergelaufen, ein breites Grinsen im Gesicht. „Wer war denn das? Darf ich die einweis...?“ Er verstummte, als er Kristins mahnenden Blick auffing. Mit einem Schmunzeln beobachtete Daniel wie sie sofort begann das schwarze Hot Business-Hemd des jungen Kollegen zu richten. „Pass auf wie du hier rumläufst. Die Arbeitskleidung ist unser Aushängeschild.“ Wie um die Worte zu bekräftigen, richtete sie den in weinrot eingestickten Hot Business-Schriftzug auf der linken Brustseite.

„Ja, Mom.“ Elay verzog das Gesicht und steckte das Hemd gehorsam in die dunkle Anzughose.

„Sei froh, dass ich nicht deine Mom bin“, sagte sie tadelnd. Daniel verkniff sich ein Grinsen.

„Daniel, vielleicht solltet ihr jetzt …?“ Kristin deutete mit dem Kinn in Richtung Büro.

„Ähm ja … natürlich.“ Er lachte nervös. „Wenn Sie mir dann folgen wollen, Miss Bail?“

 

„Ich habe gehört, Sie sind erst seit kurzem wieder in Amerika?“, fragte er. Nur um dieses unangenehme Schweigen zu durchbrechen. Der graue Anzug mit der hochgeschlossenen Bluse wirkte wie ein Fremdkörper in seinem chaotischen Büro. Und dazu diese kindlichen Gesichtszüge. Sie erinnerte Daniel dunkel an eine der Puppen, mit der seine Cousine immer gespielt hatte, als sie noch Kinder gewesen waren. Und doch stand in ihren Augen ein Feuer, dass sich hinter der jungen Fassade zu verbergen schien. Eindeutig interessant.

Sie räusperte sich nun vernehmlich und sah sich etwas irritiert in dem engen Büro um. „Ja, seit acht Wochen ungefähr.“

Der Raum, in dem sie sich befanden, war eigentlich eine ehemalige Abstellkammer, die, dem Zeitmangel geschuldet, zweckentfremdet worden war. Damals hatte er schnellstmöglich einen Platz gebraucht, wo er seine Ordner und Belege unterbringen konnte und so sah es hier auch aus: ein Schreibtisch, drei Aktenschränke und ein Bücherregal, was vollgestopft war mit allem möglichen Zeug. Ansonsten nichts als kahle Wände und grauer Betonboden. „Entschuldigen Sie das Chaos ...“ Er lachte auf. Daniel hielt sich beinahe nie hier auf, sondern war die meiste Zeit damit beschäftigt von einer Seite des Ladens zur anderen zu rennen, um die fiktiven Feuer zu löschen, die seine Angestellten entfacht hatten.

„Kein Problem“, sagte sie tonlos.

Daniel nickte. Schweigen. Augenblicklich sehnte er sich nach der vollbusigen Kellnerin zurück. „Gut. Erzählen Sie mir etwas über sich. Haben Sie jemals in einer Bar gearbeitet oder während des Studiums gekellnert? Irgendwas in die Richtung?“

„Nein, ich hatte im letzten Jahr eine Stelle bei einer Bank“, entgegnete sie. Ihr Englisch war perfekt und doch hörte man einen leichten Dialekt heraus, der jedoch durchaus Charme hatte.

„Ja, stimmt. Ich meine, Kristin hätte so etwas erwähnt.“ Die junge Frau errötete unter seinen Worten. Verdammt. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Das Mädchen würde sich als Managerin demnächst mit einem Haufen arroganter Kellner auseinandersetzen müssen, die sicherlich nicht darauf verzichten würden an der jungen Frau ihre Flirtkünste auf die Probe zu stellen. Er konnte nur hoffen, dass ihn sein Eindruck nicht täuschte und mehr hinter der jugendlichen Optik steckte.

„Miss Bail, ich fühle mich sehr geehrt, dass sie mit ihrer hervorragenden Ausbildung meinen Laden in Betracht ziehen, aber meinen sie nicht, dass dies nicht das ist, für das sie so lange studieren gegangen sind?“ Innerlich hoffte er, dass sie das Offensichtliche selbst bemerken würde.

„Hören Sie, Mister Frost, ich denke, ich könnte Ihnen eine große Hilfe sein“, sagte sie und er sah, wie ihr Blick über die gestapelten Papiere wanderte.

Sein breites Grinsen wich einem schmallippigen Lächeln. „Ich denke, sie sind Personalmanagerin und nicht Sekretärin. Das, was ich wirklich brauche, ist eine Bürokraft mit verdammt guten Nerven.“ Er stieß ein Lachen aus und deutete in hilfloser Geste auf sein eigens produziertes Chaos.

„Meine Aufgaben als Personalmanagerin sind zahlreich“, entgegnete sie und schenkte ihm ein Lächeln, das ohne Frage recht anziehend war.

Sie schien den Job wirklich verdammt dringend gebrauchen zu können, und wenn Daniel ehrlich mit sich war, dann brauchte er ebenfalls schnellstmöglich Hilfe. „Ich kann Ihnen kein horrendes Gehalt zahlen. Mehr als das, was Kristin gesagt hat, ist nicht drin. Das heißt auch in den nächsten Jahren nicht“, wagte er einen letzten Vorstoß, doch Lauras Lächeln wurde nur noch breiter.

„Kein Problem.“

„Sie sind sich außerdem der Arbeitszeiten bewusst? Das heißt, es kann sein, dass sie arbeiten, wenn ich das tue. Und ich bin, was meine Zeiten angeht, äußerst flexibel.“

Laura sah wenig begeistert aus, aber sie nickte, noch immer lächelnd. Daniel seufzte und warf ihr einen letzten langen Blick zu. „Sie wollen diesen Job wirklich oder?“ Als ein Nicken folgte, seufzte Daniel resigniert. Wenn er mit Kristin nicht befreundet wäre, dann hätte er Laura nicht einmal ansatzweise in Betracht gezogen, aber so ... „Wir werden erstmal drei Monate Probezeit vereinbaren. Und denken Sie nicht, dass das daran liegt, das ich es Ihnen nicht zutraue mein Durcheinander zu organisieren. Es liegt schlicht und einfach daran, dass ich zum Ersten nicht glaube, dass Sie wissen, worauf Sie sich eingelassen haben und zum Anderen halte ich Sie für vollkommen überqualifiziert. Sehen Sie es also als kleine Sicherheit für uns beide!“

„Danke!“, stieß sie hervor und stand so schnell von ihrem Stuhl auf, dass einer der Papierstapel neben ihr bedrohlich schwankte.

Daniel spürte wie sein Lächeln gefror. „Können Sie morgen anfangen?“

„Selbstverständlich“, entgegnete sie mit einem siegessicheren Grinsen.

Daniels Mundwinkel zuckten, als er das Strahlen auf ihrem Gesicht sah. Er erhob sich und ging um den Schreibtisch, um sich von ihr zu verabschieden. „Dann erwarte ich Sie. Die Verträge mache ich bis morgen fertig und dann erledigen wir das. Sie finden den Weg alleine hinaus? Ich habe noch einiges zu tun heute.“

„Natürlich.“

„Ach und Laura?“ Er hielt sie auf, als sie gerade durch die Tür treten wollte. „Sag bitte Daniel zu mir.“

„Ehrlich gesagt wäre mir Mister Frost lieber“, entgegnete sie knapp. Daniel blickte sie überrascht an. „Ich halte es in meinen Jobs so. Es erleichtert mir Berufliches von Privatem zu trennen“, fügte sie schnell hinzu.

„Dann bleiben wir bei Mister Frost und Miss Bail?“, fragte er sichtlich irritiert.

„Das wäre mir lieb“, entgegnete Laura. Ihre Miene war undurchdringlich.

„Wenn Sie das so wünschen“, erwiderte er und beendete damit ihr Gespräch. Seine linke Augenbraue hatte sich gehoben. Während er sie weiter betrachtete, ließ er ihr die Möglichkeit sich noch anders zu entscheiden.

„Dann bis Morgen, Mister Frost“, sagte Miss Bail jedoch nur und schob sich rückwärts aus dem Büro.

„Bis morgen.“ Daniel stöhnte, als sich die Tür geschlossen hatte. Na, wenn das mal keine klassische Fehlentscheidung gewesen war.

Ende der Leseprobe ...

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